Stuttgart 21

Zur Ergänzung des Rückblicks aus den Jahren 1977 bis zur Festlegung der Schnellbahntrasse Stuttgart - Ulm in den Jahren 1992 - 94 und den jetzt geführten Diskussionen zum Ausbau dieser Trasse noch zwei Presseberichte vom 03.12.2010 und 07.12.2010.

Auch können sie einige Presseberichte unter

 Dokumente

nachlesen. Mir liegen noch weit über 150 Zeitungsberichte aus dieser Zeit vor. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Personen, die jetzt behaupten, dass der Bürger am Entscheidungsprozeß nicht beteiligt war, eine Zeitung in dieser Zeit gelesen haben. Oder gibt es noch andere Erklärungen?

Presseerklärung vom 03.12.2010

Einleiten will ich den Sachverhalt mit einer Rückbesinnung in die Zeit als die Diskussionen um die verschiedenen Trassenführungen (Filstaltrasse oder Neubautrasse) begannen. Eine solche Darstellung ist deshalb so wichtig, weil bei den geführten Gesprächen und Diskussionen - auch bei der "Schlichtung mit Dr. Heiner Geissler" manches so nicht darge-stellt wird - sehr vornehm ausgedrückt - wie es eigentlich erklärt werden müsste.

Am Anfang der Streitgespräche zu Stuttgart 21 war von den Gegnern des Bauprojekts immer wieder die Behauptung aufgestellt worden, dass die Bürgerinnen und Bürger zu dem Projekt nicht richtig und nicht rechtzeitig informiert worden seien. Dass eine Information der betroffenen Bürgerinnen und Bürger keine Unterrichtung stattfand ist schlichtweg falsch und wird auch durch ständiges wiederholen nicht richtig. Viele Bürgerinnen und Bürger wurden hier offensichtlich - unbewusst oder ganz bewusst - falsch unterrichtet.

Lassen sie mich deshalb in wenigen Sätzen die Chronologie des Vorhabens aufzeichnen.

Bereits Ende der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts wurde über einen schnellen Verbindungsweg der Deutschen Bahn zwischen Paris - Karlsruhe -Stuttgart - Ulm - München - Wien diskutiert. Anfang der 80er Jahre warb die Deutsche Bahn - Bundesbahndirektion Stuttgart - eifrig für den Ausbau der vierspurigen Ausbautrasse durch das Neckar und Filstal, über die Geislinger Steige nach Ulm. Zu dieser Zeit hatten sich viele Kommunalpolitiker, die Mitglieder des Kreistages einschließlich des Landrats, alle Mitglieder des Landtages und Bundestages im Landkreis Göppingen dem Votum der Deutschen Bahn angeschlossen. Die Gründe hierfür lagen in den Überlegungen zur geforderten S-Bahn bis Geislingen. Bald aber hatte es sich herausgestellt, dass durch Gutachten von Prof. Heimerl, eine andere Lösung möglich ist. Es kam die autobahnnahe Trasse für den Schnellverkehr ins Gespräch, und die S-Bahn könne auf der vorhandenen Trasse aufgenommen werden.

Dies war auch die Zeit, dass am 15. 06.1988 auf meine Anregung eine "Bürgerinitiative Unteres Filstal gegen die Schnellbahntrasse" in Ebersbach gegründet wurde. Die Gründungsmitglieder sahen es als ihre Aufgabe an, die Bürgerinnen und Bürger der betroffenen Städten und Gemeinden darüber aufzuklären, was auf sie zukomme, wenn die bestehende Filstaltrasse von zwei Gleisen auf vier Gleise erweitert werden sollte, wenn dadurch der Gleiskörper durch das Filstal von 11 m auf ca. 25 m verbreitert würde. Die Diskussionen erstreckten sich nicht nur über die Breite des Gleiskörpers und den dadurch erforderlichen Baumaßnahmen, die in den privaten Bestand der Bürger eingriffe, sondern auch über die erforderlichen Lärmschutzmaßnahmen, die bei der genannten Breite des Gleiskörpers und bei der vorhandenen Tallage der Gemeinden, dem Bürger nicht gewährleistet werden könne. Wie hoch eine Schallschutzwand bei einem solchen Gleiskörper sein müsse, war auch nicht vermittelbar Die Bürgerinitiative hatte regen Zulauf. In kurzer Zeit hatten sich zwischen Stuttgart und Ulm mehrere tausend Bürgerinnen und Bürger in unseren Listen eingetragen. In der Folgezeit hatten die Mitglieder der Bürgerinitiative viele Gespräche mit Politiker aller Parteien. Weit über 150 Briefe wurden verschickt. Es folgten Veranstaltungen von uns, Handzettel wurden verteilt, auch ein Gespräch beim Verkehrsministerium in Bonn fand statt. Zusammen mit Politikern diskutierte die Deutsche Bahn mit den Bürgerinnen und Bürgern in öffentlichen Veranstaltungen. Über diese Veranstaltungen gab es in mehreren Zeitungen über 100 Presseberichte.

Die Beteiligung der Bürger an der Strecke Stuttgart - Ulm nahm zu und die Presse berichtete darüber. Viele Berichte dieser Zeit liegen mir heute noch vor. Es kam die Zeit als bei Veranstaltungen auch über die autobahnnahe Schnellbahntrasse von Prof. Dr. Heimerl gesprochen wurde. Auch wenn Prof. Krittian von der Deutschen Bahn sich bis zuletzt damit nicht beschäftigen wollte.

Die Meinung in Politik und Gesellschaft änderte sich. Es gab zwischenzeitlich immer mehr Befürworter für die Schnellbahntrasse. Der Ebersbacher Gemeinderat sprach sich als erster Gemeinderat für die Schnellbahntrasse aus. Der Gemeinderat aus Reichenbach und weitere folgten. So verstärkte sich der Druck der betroffenen Bürgerinnen und Bürger auf die Ent- scheidungsträger. Die Befürworter des Ausbaus der Filstaltrasse waren in der Minderheit.

Es war auch der BUND der im Oktober 1988 die Bahn aufforderte, die Alternative (Schnellbahntrasse) exakt zu untersuchen und zur Diskussion zu stellen. Dazu gehört auch nach Meinung der Umwelt- und Naturschützer auch der Gedanke Heimerls im Bereich des Hauptbahnhofs unterirdisch einen neuen Durchgangsbahnhof für Intercity-Züge zu bauen. Schade, dass der BUND nicht mehr zu dem steht, was er vor 22 Jahren gefordert hatte. Aber er hilft wenigstens der Behauptung entgegen zu treten, dass die Bürger damals nicht unter-richtet wurden. Er hilft zu bestätigen, dass diese Behauptungen falsch sind, und es zeigt auch wie die Bürgerinnen und Bürger an der Willensbildung beteiligt waren. Gerade dieser Prozess der Willensbildung hat dazu geführt, dass eine andere Lösung gefunden wurde, als sie von der Politik und der Bahn ursprünglich gewollt war. Wenn heute die Gegner von "Stuttgart 21" kritisieren, dass die Bürgerinnen und Bürger zu einer Lösung nichts beitragen konnten wird eine falsche Behauptung aufgestellt. Die betroffenen Bürgerinnen und Bürger haben das erreicht, wofür sie eingetreten und gekämpft hatten.

Nachdem nach sechs Jahren alle Entscheidungen nach unserer Ansicht so gelaufen waren wie die betroffenen Bürger dies gewollt hatten, lösten wir die Bürgerinitiative im Jahre 1994 auf. Die Verantwortlichen bei der Deutschen Bahn und eine große Mehrheit in der Politik, über fast alle Parteien hinweg, hatten sich für die Neubautrasse festgelegt. Auch die Gerichte hatten in der Folgezeit keine der Entscheidungen zu beanstanden oder wurden in Verhandlungen gelöst.

Aus heutiger Sicht war es ein Fehler die Bürgerinitiative aufzulösen.

Aber niemand konnte ahnen, dass eine Minderheit aus der damaligen Sicht nach dem Spatenstich zu dem Bauwerk mit solchen falschen Behauptungen auftreten würde. Auch nicht zum Widerspruch aufrufen würden, die in klarem Gegensatz zu den Interessen der betroffenen Bürgerinnen und Bürger stehen. Was hier geschieht ist ein leugnen der Geschichte. Ich bin fest davon überzeugt, dass dieses Thema nichts taugt für die Landtagswahl, es könnte bestenfalls die Grundeinstellung einzelner Personen zur Demokratie entlarven, wenn Minderheiten über Mehrheiten herrschen wollen.

Nach reiflicher Überlegung wird das Bürgerforum "Wachsame Bürger e.V." Ebersbach, um rasch aktiv werden zu können, unter seinem Dach die "Bürgerinitiative Unteres Filstal" wieder ins Leben rufen. Wir werden die Arbeit von damals wieder aufnehmen und im Interesse der Bürgerinnen und Bürger tätig werden.

Bei dieser Gelegenheit darf ich sie davon unterrichten, dass die Unterlagen aus den Jahren 1988 bis 1994 noch vorliegen. Die vorgesehenen baulichen Veränderungen für einen vierspurigen Ausbau im Filstal und Neckartal wären gravierend. Wenn nur bedacht wird, dass die Bahntrasse von ca. 11 auf 25 m verbreitert werden müsse, und alle Brücken die für zwei Gleise ausgelegt sind, auf die mehr als doppelte Länge ausgebaut werden müssten. Eine Anbindung der Straßen an solche verlängerten Brücken ist verschiedentlich kaum vorstellbar und hätte gravierende Auswirkungen. Es würden Maßnahmen erforderlich, die teilweise einen starken Eingriff in den Privatbesitz der Bürgerinnen und Bürger erforderlich machen. Sicherlich würden die Lärmschutzwände, die zur Zeit von der Deutschen Bahn zum Schutz der Bürger im Filstal aufgestellt werden, wieder in Frage gestellt werden müssen. Für die mehr als doppelte Breite der Bahntrasse sind die Lärmschutzwände nicht ausgelegt. Der Spott der Republik wäre perfekt.

Wie die betroffenen Anlieger der Bahntrasse vor Lärm geschützt werden sollen, ist mir ein Rätsel. Kein Fachmann konnte mir dies bisher erklären.

Auch innerhalb der Stadt Ebersbach wären derzeitig geplante Baumaßnahmen im Tief- und Hochbaubereich von dieser Maßnahme betroffen. So wie Ebersbach wären die meisten Städte und Gemeinden des Filstales in Mitleidenschaft gezogen.

Es wird Zeit, dass sich die Bürger massiv gegen eine solche Entwicklung "wieder" wehren.

Ab sofort können Unterschriftslisten - gegen eine vierspurige Ausbaustrecke durch das Neckar- und Filstal - bei uns angefordert werden. Wehren sie sich gegen diese Entwicklung.

Herbert Sachsenmaier

Seite:  1

 Pressebericht Vorwort    Presseberichte vom 03.12.2010    Presseerklärung vom 07.12.2010