Stuttgart 21

Presseerklärung vom 07.12.2010

Nachdem die "Schlichtungsverhandlungen" abgeschlossen sind, der Schlichterspruch gesprochen ist, hofften viele Beobachter der Schlichtungsgespräche, dass wieder Ruhe einkehrt. Diese Hoffnung war schnell verflogen, da nach wenigen Minuten nach dem Schiedsspruch des Herrn Geissler die Landes- vorsitzende des BUND, Frau Dr. Dahlbender, zur Fernsehkamera schritt und erklärte, dass der Widerstand gegen das Projekt fortgesetzt werde. Ein Tag nach Ende der Schlichtung sind die lobenden Worte an Herrn Heiner Geissler verflogen und die meisten Gegner des Projekts kehren in ihre Startlöcher vor den Schlichtungsverhandlungen zurück. Ich teile die Meinung derer die mich angerufen haben und erklärten: "Wer ohne die Auswirkung der Schlichtungsgespräche abzuwarten nach wenigen Stunden oder gar Minuten zurück zu seiner Ausgangsposition geht, hatte offensichtlich überhaupt nicht den Willen zu einer Einigung, es mangelt auch an Demokratieverständnis".

Als Bürgerinitiative "Unteres Filstal, gegen die Schnellbahntrasse im Filstal" hatten wir bis zum letzten Tag der Schlichtungsverhandlungen warten müssen. Was die Betroffenen des Neckar- und Filstales eigentlich hören wollten, wurde durch das Gutachten überhaupt nicht offengelegt. Im Gegenteil, eine Gegenüberstellung der von uns geforderten Schnellbahntrasse gegenüber dem Ausbau der Filstaltrasse fand nicht statt, weil offensichtlich dies auch nicht gewollt war.

In dem Gutachten mit dem Titel " Prognose der wahrscheinlichen Projektkosten der Neubaustrecke Wendlingen - Ulm und Vorschläge zur Verbesserung des Personen- und Güterzugverkehrs im Korridor Stuttgart - Augsburg, vom September 2010, wird in seitenlangen Berichten erklärt, warum die Neubaustrecke Wendlingen - Ulm nicht gebaut werden soll. Weiter werden in dem Gutachten umfangreiche Berechnungen über die Kosten des Bauwerks dargestellt. Über diese Darstellungen fand in der Schlichtung eine heftige Diskussion statt. Hier wurde über jedes Detail der Neubaustrecke gesprochen (gestritten) und fast jede Kostenberechnung der Bahn in Frage gestellt. Eigentlich wurde von den Gegnern der Bau der Neubaustrecke wieder mal in Frage gestellt.

Für den Ausbau der Neubaustrecke gingen wir in den Jahren 1988 bis 1994 auf die Straße. Uns hatte schon damals gewundert, dass Personen die ansonsten lautstark für "Bürgerschutz und Lärmschutz" demonstrieren, sich hier eher für einen Wurm als für die Menschen einsetzen. Hier hat sich nach unseren Erkenntnissen nichts geändert.

Das Gutachten der Vieregg - Rössler GmbH von der Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN im Bundestag und der Fraktion DIE GRÜNEN im Landtag von Baden-Württemberg in Auftrag gegeben. Der aufmerksame Zuschauer am Fernseher wurde in diesem Zusammenhang überrascht , als Frau Dr. Dahlbender, Landesvorsitzende des BUND, bei einer Wortmeldung in der Schlichtungs- verhandlung sinngemäß erklärte:" Wir" (wer sind wir?) haben bewusst das Gutachterbüro Vieregg - Rössler gewählt und beauftragt das Gutachten zu erstellen. Dieses Büro hat bei mindest vier Projekten der Deutschen Bahn mit ihren Gutachten Erfolg gehabt." Wer bezahlt eigentlich das Gutachten?

Aus dem Gutachten nun einige Aussagen und Feststellungen zur "Optimierung" - so nennt man bauliche Maßnahmen die erforderlich werden, wenn die Neubaustrecke nicht gebaut werden sollte. Leider wurde zu keinem der angegebenen Bauwerke bzw. Veränderungen am Streckennetz Kostenberechnungen angegeben. Was sicherlich nicht überrascht. Obwohl auf der anderen Seite immer auf Offenlegung des Zahlenmaterials gedrängt wurde.

Vorschläge zur Optimierung der Bahnstrecke Stuttgart - Göppingen - Ulm. In gekürzte Form.

Die Bahnstrecke im Abschnitt Stuttgart Hbf - Plochingen grenzt fast überall direkt an die Bebauung und das Geschwindigkeitsniveau der Züge ist mit 150 km/h, zumindest ab Esslingen relativ hoch. Korrekturen der Tassenführung, um eine höhere Geschwindigkeit zu erreichen, unvertretbar hoch, insbesondere wegen der massiven Eingriffe in die angrenzende Bebauung.

Die enge Nordkurve am Bf. Plochingen bedingt einen Geschwindigkeitseinbruch auf 100 km/h. Sie kann relativ leicht beseitigt werden. Zusammen mit einer geringfügigen Korrektur der Gleisführung am Südkopf des Bf Plochingen kann eine Geschwindigkeit von 150 km/h erreicht werden. Diese Linienverbesserungen sollten zugleich mit dem Bau von Überwerfungen am Bahnhofs-Nord und Südkopf kombiniert werden, um Fahrstraßenkreuzungen zu vermeiden.

Plochingen - Süßen

Am Bf. Reichenbach ist eine Neutrassierung mit vergrößerten Kurvenführungen erforderlich.

Der starke Geschwindigkeitseinbruch durch eine enge Kurve im Ostkopf des Bf. Göppingen kann durch eine Neutrassierung der Fernverkehrsgleise mit Hilfe eines Tunnels - je nach Variante 1,5 bis 2,00 km lang - beseitigt werden. Anhebung der Geschwindigkeit von 90 km/h auf 170 -180 km/.

Am Bf Süßen die Kurve aufweiten, damit die Geschwindigkeit von 140 km/h auf 230 km/h erhöht werden kann.

Die Frage inwieweit der 4-gleisige Ausbau des Abschnitts Plochingen - Süßen als Voraussetzung für die Aufnahme des S-Bahn-Verkehrs ab Plochingen durch das Filstal erforderlich ist, kann im Rahmen der vorliegenden Untersuchung nicht beantwortet werden.

Bemerkung hierzu: Dies ist bereits 1988 und 1989 untersucht worden und bedarf
nach Auskunft von Experten keiner weiteren Untersuchung.

Süßen - Amstetten

Nach der Durchfahrt des Bf Kuchen bis zur Einfahrt in den Bf Amstetten bedarf es einer neuen Strecke mit großen Kurvenradien für 210 bis 230 km/h Geschwindigkeit. Auch für diesen Streckenabschnitt wäre ein 4-gleisiger Ausbau erforderlich, wenn die S-Bahn bis Geislingen gebaut werden sollte. Da z. Zt. auf politischer Ebene eine Diskussion stattfindet, dass die S-Bahn nicht nach Geislingen sondern ab Süßen nach Donzdorf geführt werden könnte, müßte diese Entscheidung getroffen werden.

Für die Neubaustrecke zur Umfahrung des kurvenreichen Abschnitts südlich von Kuchen bietet sich im Prinzip der folgende Trassenverlauf an: Südlich des Bf. Süßen - oder südlich Kuchen - zweigt die Neubautrasse von der Altstrecke Richtung nach Südosten ab, unterfährt den Tegelberg in einem Tunnel, quert östlich von Geislingen das Roggental entweder direkt am Talgrund oder auf einer mindest 50 m hohen Brücke und fährt in einem Tunnel zum Bf Amstetten hinauf. Wobei das Tunnel in Richtung Amstetten, bei einer Querung des Roggentals im Talgrund, eine so tiefe Lage erhält, dass sein Bau aus hydrogeologischer Sicht als extrem schwierig eingestuft werden muß.

Bemerkung hierzu: Im Klartext auszuscheiden.

Bei der Variante mit Querung des Roggentals in mindestens 50 m Höhe, auf einer Brücke, werden zwar die beschriebenen hydrogeologische Probleme vermieden, doch eine solche Trassenführung hätte schwerwiegende Eingriffe in die beiden als Naturschutzgebiete ausgewiesene Talhänge des Roggenbachtals zu Folge. Kaum Genehmigungsfähig.

Bemerkung hierzu: Im Klartext auszuscheiden.

Eine weitere Alternative aus dem Gutachten: Eine Neubaustrecke von Süßen bis Amstetten, südwestlich an Geislingen vorbei. Diese Trasse müsse auf dem Talgrund das Filstal zwischen Süßen und Gingen schräg queren und südwestlich an Gingen, Kuchen und Geislingen-Altenstadt vorbei verlaufen, ständig ansteigen, mehrere Seitentäler queren, die dazwischen liegenden Bergvor- sprünge in kurzen Tunnels unterfahren, auf einer ca. 80 m hohen und knapp 1 km langen Brücke das Filstal ein zweites Mal queren und zwar zwischen Geislingen und Bad Überkingen, und schließlich in einem langen Tunnel den Bf Amstetten erreichen. Die geologischen Verhältnisse wären ähnlich wie beim aktuel geplanten Albaufstieg der Neubautrasse Wendlingen - Ulm. In dem Gutachten wird selbst festgestellt, dass bei dieser Variante die beiden Talquerungen des Filstales schwerwiegende Landschaftseingriffe vorgenommen werden müssten, was vermutlich auf massive politische Ablehnung stoßen würde.

Bemerkung hierzu: Ablehnung sicherlich, auch nicht vertretbar.

Amstetten Ulm Hbf

Der Bf Amstetten ist entsprechend umzubauen. Südlich des Bf Amstetten zweigt die Neubaustrecke mit einem Überwerfungsbauwerk ab. Ab der Unterfahrung der L 1232 führt die Neubaustrecke mit einer Steigung von 25 Promille aus dem Längental hinauf auf die Albhochfläche. Urspring wird westlich und südwestlich in einem weiten Bogen umfahren. Beim Aufstieg aus dem Längental ist ein rund 500 m langer Tunnel zu bauen; zwei Trockentäler im Westen und Südwesten von Urspring werden mit Talbrücken gequert. Nördlich von Luizhausen erreicht die Neubautrasse die B 10, überquert bei Hinterdenkental das Trockental und führt auf einer Talbrücke über das Tal hinweg. Das Autobahnkreuz der Anschlußstelle Ulm-West wird in einer großzügigen Kurve entweder im Tunnel unterfahren oder auf einer Brücke so gequert, dass die Neubautrasse nun in Richtung Osten der Autobahn A 8 folgt. Ab Unterhaslach wird die vorhandene Strecke 4-gleisig ausgebaut und erhält hierbei zugleich, soweit dies im Rahmen der Trassenverbreiterung von 2 auf 4 Gleise möglich ist, etwas größere Kurvenradien.

Bemerkung hierzu: Umweltschutzrechtliche Bedenken sind angebracht.

Fahrzeitgewinn durch die optimierte Trassenführung

Alle aufgezählten Optimierungen der Trassenführung durch das Neckar- und Filstal ergeben eine großzügig ermittelte Reduktionszeit von 15 Minuten. Damit würde die für den integralen Taktverkehr erforderliche Kantenzeit von unter 30 Minuten zwischen den Knotenbahnhöfen Stuttgart Hbf und Ulm Hbf nicht erreicht. Zugegebener Maßen wäre dies auf der Neubaustrecke Wendlingen - Ulm in Kombination mit Stuttgart 21 erreichbar.

Es wird auch zugegeben, dass die beschriebene Optimierung der Altstrecke über Göppingen vor allem eine rund 30 km lange Neubaustrecke aus dem Raum Kuchen bis nördlich Ulm beinhaltet. Diese Neubaustrecke erfordert zweifellos einen beträchtlichen baulichen Aufwand mit starken Eingriffen in die Landschaft und vermutlich relativ hohen Investitionskosten, vor allem wegen der schwierigen Geologie im Bereich der Geislinger Steige.

Es wird in dem Gutachten auch zur Verringerung der Fahrzeit des ICE-Verkehrs zwischen Stuttgart und Ulm über den Einsatz von Zügen mit Neigetechnik nachgedacht.

Bei Gesprächen mit Experten konnte ich nur ein Lächeln erhaschen. Unabhängig von den bisher vorgeschlagenen Optimierungen kämen für die erforderlichen Baumaßnahmen von Schienen und Signaleinrichtungen u. A. Kosten in Höhe rund 2 Milliarden hinzu, und dies bei einem Zeitgewinn von ca. 5 - 10 %. Wie soll der Einsatz von Zügen mit Neigetechnik zwischen Stuttgart - Ulm geschehen. Sollen die Bahnkunden von z.B. aus Karlsruhe kommend, in Stuttgart und Ulm umsteigen, wenn sie nach München oder Wien fahren wollen? Und wie soll dies geschehen für die Kunden, die in einem Zug aus Frankreich, der Schweiz oder Österreich an der "Schwäbischen Langsamstrecke" ankommen? Ein neuer Aspekt der ein Lächeln erzeugt.

Bei all diesen Überlegungen wurden die erheblichen Eingriffe beim Bau von 2 weiteren Gleisen für die schnellen Züge, ICE u. Züge aus anderen Ländern, noch gar nicht berücksichtigt. In vielen Städten und Gemeinden der jetzigen Bahnstrecke würde massiv in die Struktur der Kommunen eingegriffen.

Es sind so viele Punkte in dem Gutachten (bewusst ?) übergangen worden, und je länger man darüber nachdenkt erkennt man auch warum.

Wenn die Kosten in ihrer Gesamtheit auf der Basis der genannten Vorschläge ausgerechnet worden wären, hätte es sicherlich keine Diskussion bei der Schlichtung gegeben. Unerwähnt blieb auch der Lärmschutz der Anwohner an einer 4-gleisigen Trasse. Es gibt bereits ein Beispiel für einen solchen Lärmschutz. Insgesamt fünf Lärmschutzwände an einer solchen Strecke, Lärmschutzwände so wie sie jetzt im Filstal gebaut werden und zwischen den Gleisen jeweils eine Lärmschutzwand. Aber für solche Szenarien hatten die Gegner der Schnellbahntrasse von Wendlingen nach Ulm kein Wort übrig. Mancher Teilnehmerin und Teilnehmer der Schlichtung war sicherlich erleichtert, dass hierzu keine Diskussion aufkam. Aber dies muß nicht so bleiben.

Zu den Güterzug-Leitwegen wird zu einem späteren Zeitpunkt berichtet.

Herbert Sachsenmaier

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